Interzeptive Kieferorthopädie

Beim Vorsorgeuntersuch bereits im Vorschulalter werden die Gebissentwicklung kontrolliert, der Durchbruch der Zähne verfolgt und die Entwicklung der Kiefer überwacht. Dies geschieht grösstenteils bei Ihrem Familienzahnarzt. Bestehen Fehlentwicklungen, können diese durch interzeptive Massnahmen frühzeitig (bevor alle bleibenden Zähne durchgebrochen sind) angegangen werden. Ausserdem sollen diese Massnahmen zu idealen Voraussetzungen für die durchbrechenden, bleibenden Zähne führen. Ein zu schmaler Oberkiefer mit seitlichem Kreuzbiss, eine Unterkiefervorlage oder eine massive Unterkieferrücklage können bereits in dieser Entwicklungsphase schmerzfrei angegangen werden. Die interzeptive Kieferorthopädie macht sich das Wachstum und die Entwicklung des Kieferknochens bzw. der Mund- und Kaumuskulatur zu nutze. Die Zähne werden mit Hilfe dieser Parameter in eine korrekte Verzahnung (Biss) geführt.

Ob bei Ihrem Kind interzeptive Massnahmen notwendig sind, wird Ihr Familienzahnarzt beim Vorsorgeuntersuch erkennen und ihr Kind an einen Fachzahnarzt für Kieferorthopädie (CH) überweisen. In der Regel wird bei entsprechender Notwendigkeit zwischen dem 7.-12. Lebensjahr eine solche interzeptive Phase durchgeführt.

 

Häufige Beispiele:

► BAD HABITS: NUGGI, DAUMENLUTSCHEN, ZUNGENINTERPOSITION

Schlechte Gewohnheiten (bad habits) wie Nuggigebrauch, Daumen- und Fingerlutschen, Zungeninterposition, Lippeninterposition sollten früh, allerspätestens beim Durchbruch der bleibenden Zähne (6.-7. Lebensjahr) abgesetzt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich die Zahnstellung und die Kiefer in ungünstiger Weise entwickeln. Diese bad habits können Ursache für einen offenen Biss sein. Deshalb bitte Nuggigebrauch oder Daumenlutschen rechtzeitig aufhören!

 

► VORZEITIGER MILCHZAHNVERLUST

Durch frühzeitigen Verlust von Milchzähnen (Karies oder unterminierende Resorption) kann Platz verloren gegangen sein, wenn Nachbarzähne in die Lücke kipppen. Da Milchzähne Platzhalter für die nachfolgenden, bleibenden Zähne sind, darf kein Platz verloren gehen. Deshalb sollte in diesem Fall der Platz bis zum Durchbruch des bleibenden Zahnes mittels LÜCKENHALTER oder LINGUALBOGEN gehalten werden. Deshalb ist auch die systematische Zahnreinigung und eine gesunde Ernährung ein wichtiger Beitrag zur Vermeidung von vorzeitigem Milchzahnverlust.

 

► FUNKTIONELLER KREUZBISS

Bei zu schmalen Oberkiefer kommt es beim Zusammenbeissen zu unbewussten Abgleitbewegungen („funktioneller Kreuzbiss“) des Unterkiefers auf eine Seite. Dies kann zu einem unregelmässigen Wachstum zwischen der rechten und linken Unterkieferhälfte bzw. zu einer Oberkieferwachstumshemmung führen. Es können ein sogenannter „morphologischer Kreuzbiss“ und später im Erwachsenenalter sogar Muskel- und Kiefergelenksprobleme (Myoarthropathien) entstehen. Solche „funktionelle Kreuzbisse“ sollten schon früh im Alter von 8-10 Jahren korrigiert werden.

 

► UNTERKIEFERRÜCKLAGE

Massive Unterkieferrücklagen (Distalbisse) sollten ebenfalls bereits vor Durchbruch aller bleibenden Zähne behandelt werden. Idealerweise während des Wachstumspeaks. Dies geschieht mit abnehmbaren und/oder festsitzenden Apparaturen, wodurch eine ideale Basis für die bleibenden Zähne geschaffen werden kann. Diese sogenannte Funktionskieferorthopädie macht sich das Wachstum und die Entwicklung des Kieferknochens bzw. der Mund- und Kaumuskulatur zu Nutze.

 

► PROGENER ZWANGSBISS (UNTERKIEFERVORLAGE MIT VORKONTAKT)

Beim progenen Zwangsbiss kommt es beim Zusammenbeissen wegen eines sogenannten Vorkontaktes im Bereich der Frontzähne zu einer Vorverlagerung des Unterkiefers. Dabei kommen die Unterkieferfrontzähne vor die Oberkieferfrontzähne zu liegen. Auch dies sollte durch Eliminierung des Vorkontaktes und Beeinflussung des Unterkieferwachstum mittels abnehmbaren und/oder festsitzenden Apparaturen korrigiert werden.
Auch bei einer echten Progenie, wo der Unterkiefer zu weit vorne liegt (familiär gehäuft), kann schon früh versucht werden, das Unterkieferwachstum zu hemmen. Leider kann in manchen Fällen bei überschüssigem Unterkieferwachstum die Progenie erst nach Wachstumsabschluss mit Hilfe eines operativen Eingriff korrigiert werden können.

 

► GROSSE RACHEN- UND GAUMENMANDELN

Vergrössertes lymphatisches Gewebe ist in jungen Jahren zwar normal - trotzdem können sehr grosse Rachen- oder Gaumenmandeln oftmals zu einer behinderten Nasenatmung führen. Bedingt durch die entsprechende, ungünstige Mundatmung kommt es automatisch zu einer Zungentieflage mit in der Folge negativen Auswirkungen auf Zahnstellung und Kieferwachstum. In Ausnahmefällen ist es deshalb ratsam, die Mandeln frühzeitig zu entfernen. Die Indikation für eine frühzeitige Mandelentfernung aus kieferorthopädischen Gründen stellt der Kieferorthopäde gemeinsam mit dem Hals-Nasen-Ohren-Arzt.

 

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